Videoüberwachung – Keine Videokamera auf das Nachbargrundstück

Wer eine Videokamera zur Überwachung seines Grundstücks installiert, sollte vorsichtig sein. Insbesondere muss darauf geachtet werden, mit der Videokamera nicht in die Persönlichkeitsrechte des Nachbargrundstück oder Dritter einzugreifen. Denn die Videoüberwachung ist rechtlich heikel.

Denn wird ein Nachbar durch die Videoüberwachung gestört, insbesondere weil ein Teil seines Grundstückes mit überwacht wird, stellt dies ein Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar und der Nachbar kann gegen die Überwachung vorgehen.

 Nachbarschaftsstreit um Videokamera

Ein lesenswerter Beschluss dazu erging am 22.01.2016 vom Amtsgericht Brandenburg an der Havel (AZ.: 31 C 138/14). Das Gericht musste sich im vorliegenden Fall mit zwei streitenden Nachbarn befassen. Der Beklagte hatte an der Fassade seines Gebäudes insgesamt drei Videokameras installiert, um sein Grundstück zu überwachen. Der Kläger, der Nachbar der Beklagten ist, gelangt nur über das Grundstück der Beklagten zu seinem eigenen Grundstück und hat diesbezüglich auch ein Wegerecht.

Hintergrund

Der Kläger fühlt sich durch die Videokameras beobachtet und gestört. Des Weiteren unterstellt er der Beklagten, dass die Videokameras auch Teile seines Grundstücks überwachen würden. Der Kläger fühlt sich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 I, Art. 2 I GG verletzt und klagte auf Unterlassung. Die Beklagte hingegen bestreitet, das Grundstück des Klägers mitzuüberwachen und beharrt auf seinem Eigentumsrecht aus Art. 14 GG. Zwischen den Parteien tobt zudem seit Längerem ein Nachbarschaftsstreit, der auch schon gerichtlich ausgetragen wurde.

Videoüberwachung verletzt Persönlichkeitsrecht

Urteik
Urteil

Das Gericht entschied nun zugunsten des Klägers und gegen die Videoüberwachung.

Dem überwachten Nachbarn steht ein Anspruch aus Art. 1 I, Art. 2 I GG i.V.m. §§ 823 I und 1004 I BGB unter Beachtung von §§ 6, 6b BDSG und § 201a StGB dahingehend zu, dass die Videokameras derart eingestellt werden, dass sie weder den Zugangsweg noch das Grundstück des Nachbarn erfassen.

In den Entscheidungsgründen wurde ausgeführt, dass die Überwachung mittels einer Videokamera grundsätzlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.

Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selber zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen. Durch die Videoaufzeichnungen werden über den Nachbarn und seine Familie sowie Dritte Daten gesammelt, die Verhaltensweisen dieser Personen aufzeichnen und es ermöglichen, Lebensvorgänge zu speichern und zu verknüpfen. Somit besteht die Möglichkeit, ein detailliertes Persönlichkeitsbild der Betroffenen zu erstellen. Dabei ist es auch ganz unerheblich, ob es sich bei den Informationen um solche mit eher geringem Informationsgehalt handelt oder durchaus sensible Informationen gesammelt werden.

Freie Entfaltung der Persönlichkeit

Durch die berechtigte Befürchtung einer Bildaufzeichnung geht die Unbefangenheit des Verhaltens verloren und die freie Entfaltung der Persönlichkeit ist beeinträchtigt, da der Betroffene immer das Risiko einer Überwachung in Betracht ziehen muss und sein Verhalten darauf einrichtet.

Der von den Videokameras ausgehende

„allgemeine“ Einschüchterungseffekt (…) führe zu Beeinträchtigungen des Klägers bei der Ausübung seiner Grundrechte (…).“.

Abwägung der berechtigten Interessen

Die Herstellung von Filmaufzeichnungen einer Person mit einer Videokamera ist grundsätzlich ein unzulässiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Unter der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls muss dennoch eine die verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Beteiligten berücksichtigende Güter- und Interessenabwägung vorgenommen werden. Hier kommt es also im Ergebnis sowohl auf das Interesse des Inhabers der Videokamera, als auch auf die Interessen des Inhabers des Nachbargrundstück an.Überwachung des eigenen Grundstücks

Die Befugnis, den eigenen räumlichen Bereich mit Videokameras zu überwachen, ist vom Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 GG erfasst.

Dabei darf der Grundstückseigentümer aber ausschließlich sein eigenes Grundstück überwachen. Erfasst die Videoüberwachung aber zumindest auch Bereiche,

„die für Dritte zugänglich sind, müssen die berechtigten Interessen der von den Videoaufnahmen betroffenen dritten Personen auch berücksichtigt werden. Diesen Personen stehen ein Recht am eigenen Bild sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (…) zu”.

Nur wenn ein zurechenbarer Anlass, wie durch eine konkrete, schwerwiegende Rechtsverletzung, gegeben ist, kann möglicherweise eine Überwachung von Dritten, sprich auch des Nachbargrundstück, zulässig sein. In diesem Fall war ein solcher Anlass nicht gegeben

Persönlichkeitsrecht vs. Eigentumsgrundrecht

Gerade durch die Möglichkeit der seriellen Informationserfassung und -verarbeitung mittels einer Videokamera ist eine solche technische Observation eine Grundrechtsbeschränkung von erheblichem Gewicht. Das „Gefühl des Überwachtwerdens“ schränkt die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Betroffenen massiv ein. Das Persönlichkeitsrecht ist sogar schon dann beeinträchtigt, wenn der Betroffene „eine Überwachung durch die Kameras objektiv ernsthaft befürchten muss“.

Gerade im vorliegenden Fall kam dieser Aspekt durch den eskalierenden Nachbarschaftsstreit zur Geltung. Die für einen Unterlassungsanspruch notwendige Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr sah das Gericht daher als gegeben an. Aufgrund des angespannten Nachbarschaftsverhältnisses musste der Kläger befürchten, von der Beklagten gefilmt und überwacht zu werden.

Dem berechtigten Verlangen des Klägers standen daher keine berechtigten Interessen der Beklagten gegenüber. Dem Kläger wurde der Anspruch auf (Neu-)Einstellung der installierten Videokameras zuerkannt.

(Der Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Sarah Scholz)

Einschätzung RA Hoesmann

Ich habe als Rechtsanwalt viel mit der Videoüberwachung von Grundstücken zu tun. Beide Seiten fühlen sich häufig im Recht. Es kommt immer auf den konkreten Einzelfall an.

Grundstückseigentümer sollten bei der Überwachung ihres Grundstücks mittels Videokameras unbedingt darauf achten, dass die Videokameras nur das eigene Grundstück erfassen, nicht das Nachbargrundstück. Ansonsten könnte es sein, dass die Persönlichkeitsrechte ihrer Nachbarn oder Dritter verletzt werden.

Die Videoüberwachung sonstiger, durch Dritte begehbarer Bereiche ist nur dann zulässig, wenn dafür ein berechtigtes Interesse besteht. Das wäre dann der Fall, wenn nur auf diese Weise das eigene Grundstück vor Sachbeschädigungen oder Einbrüchen geschützt werden kann. Zumindest sollte die Videoüberwachung in solchen Fällen deutlich gekennzeichnet sein.

Dabei sollte die Videoüberwachung auf das eigene Grundstück begrenzt werden und andere Sicherungsmaßnahmen (Alarmanlage, Bewegungssensoren, etc.) gegen potentielle Beeinträchtigungen in Betracht gezogen werden.

Wenn Sie der Ansicht sind, dass Sie durch die Videoüberwachung in Ihren Rechte beeinträchtigt werden können bzw. sich ein Nachbar gegen die Kamera beschwert, sollten Sie, bevor Sie einen Rechtsanwalt aufsuchen, das Gespräch mit dem Nachbarn suchen. Häufig lassen sich im Rahmen eines Gespräches die Probleme lösen.

Sollte gleichwohl ein Streit mit dem Nachbarn wegen der Videoüberwachung entbrannt sein, stehen wir Ihnen selbstverständlich als Rechtsanwaltskanzlei gerne zur Verfügung und helfen Ihnen, Ihre Rechte zu verteidigen.

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