Wahlkampf und der Internetauftritt der Bundesregierung

Webseite_BMI_crWie der vergangene Wahlkampf in den USA gezeigt hat, wird das Internet zu einem immer wichtigeren Medium in der Kommunikation.1 Dies ist ebenso in Deutschland erkannt worden; für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung ist das Internet mittlerweile auch zu dem zentralen Medium der Kommunikation geworden.

Der aktuelle Wahlkampf für die Bundestagswahl2 wird auch im Internet ausgetragen. Alle Parteien haben ihre Internetauftritte überarbeitet und fast alle Kandidaten für den Bundestag präsentieren sich mit eigenen Webseiten dem Publikum. Auch Facebook, StudiVZ und Twitter werden als Kommunikationsmedium benutzt.

Interessant aus rechtlicher Sicht ist jedoch auch der Internetauftritt der Ministerien selbst. Diese müssen nämlich in der Wahlkampfzeit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht über Öffentlichkeitsarbeit in Wahlkampfzeiten entsprechen. Hintergrund dafür ist, dass die Parteien möglichst nicht die Bundesministerien zu Wahlkampfbeeinflussung in ihrem politischen Sinne nutzen sollen.

I. Erlaubte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Wahlkampf

Maßgebliche Richtschnur für die gesamte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Staatsorgane ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2.3.1977 (BVerfGE 44,125), welches explizit klärt, was an Öffentlichkeitsarbeit der Ministerien zu Wahlkampfzeiten noch zulässig ist, und was nicht. 3

Das Gericht entschied, dass es den Ministerien als Staatsorganen nicht erlaubt ist, im Wahlkampf für einzelne Parteien zu werben oder Wahlbewerber zu unterstützen. Insbesondere ist es ihnen untersagt, durch Werbung Entscheidungen des Wählers zu beeinflussen.

Hintergrund dieser Entscheidung war die Frage, ob die damalige Bundesregierung durch ihre als Öffentlichkeitsarbeit bezeichneten Maßnahmen in den Bundestagswahlkampf 1976 eingegriffen und eine unzulässige Wahlbeeinflussung des Bürgers vorgelegen habe.

In dem Wahlkampf hat die damalige Bundesregierung umfangreiche Anzeigen in Zeitungen und Magazinen veröffentlicht, in welchen sie die von ihr erreichten Leistungen und Erfolge herausstellte. Über das Bundespresseamt und die einzelnen Ministerien ließ die Bundesregierung des Weiteren Broschüren, Faltblätter und ähnliche Publikationen herstellen. Diese waren zu einem großen Teil Bilanzdarstellungen der Regierung, Redetexte der Minister, Berichte und Servicepublikationen.4

Das Bundesverfassungsgericht bejahte die Frage der Wahlbeeinflussung aus mehreren Gründen.5

In seiner Entscheidung stellte es die überragende Wichtigkeit von Wahlen für die Demokratie heraus.6 Insbesondere betonte das Gericht, dass Wahlen frei und ohne Zwang zu erfolgen haben;7 das bedeutet, die Wähler müssen ihr Urteil in einem freien und offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen können. Die Staatsorgane haben nicht einer Partei, sondern dem gesamten Volk zu dienen und müssen sich daher im Wahlkampf neutral verhalten.

Aus diesen Gründen ist es den Staatsorganen in amtlicher Funktion verwehrt, in den Prozess der freien Willensbildung des Volkes einzugreifen. Dies schließt allerdings nicht mit ein, dass die Mitglieder der Bundesregierung außerhalb ihrer amtlichen Funktion in den Wahlkampf eingreifen.

Darüber hinaus ist auch das Recht auf Chancengleichheit der politischen Parteien verletzt, wenn Ministerien in den Wahlkampf eingreifen.8

Dieses Recht auf Chancengleichheit, im Grundgesetz unter den Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gefasst, sichert den Minderheitsgruppen die Möglichkeit zu, durch eine freie Wahl zur Mehrheitsgruppe werden zu können.9 Nutzt jetzt die gerade regierende Partei ihre Herrschaftsposition aus und verschafft sich durch das Einbinden von Staatsorganen in ihren Wahlkampf einen Vorteil gegenüber der nicht regierenden Partei, ist der Grundsatz der Chancengleichheit verletzt.

Das Gericht stellte darüber hinaus ausdrücklich fest, dass ein Partei ergreifendes Einwirken von Staatsorganen in die Wahlen zur Volksvertretung auch in Form der Öffentlichkeitsarbeit nicht zulässig ist.10

Gegen die Öffentlichkeitsarbeit als solche hat das Bundesverfassungsgericht keine Bedenken, sondern betont, dass die Regierung ihre Politik, ihre Maßnahmen und Vorhaben öffentlich darstellen dürfen. Durch diese Darstellung kann sich der einzelne Bürger besser ein Bild von den gefassten Entscheidungen machen und so auch staatspolitisch wichtige, aber unpopuläre Entscheidungen, besser nachvollziehen.11

Die Grenze der zulässigen Öffentlichkeitsarbeit wird jedoch dann überschritten, wenn sie den Rahmen des vom Grundgesetz der Bundesregierung zugewiesenen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich verletzt.12

Dies gilt insbesondere für solche Maßnahmen, die geeignet sind, der Wahlwerbung zu dienen oder den Wahlkampf zu beeinflussen; es spielt dabei keine Rolle, ob die Beeinflussung gewollt oder ungewollt ist.13

Inhaltlich kann dies nach Ansicht des Gerichts unter anderem dann der Fall sein, wenn sich die Bundesregierung als eine von bestimmten Parteien getragene Regierung darstellt oder die Publikationen deutlich zum Ausdruck bringt „im Amt bleiben zu wollen“.

Darüber hinaus können auch die äußere Form und die Aufmachung ein Indiz für ein Hineinwirken in den Wahlkampf sein; dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der informative Gehalt eindeutig hinter der Aufmachung zurücktritt. Insbesondere wenn es bei unbefangener Betrachtungsweise mehr um die Steigerung des Bekanntheitsgrades und der Sympathiewerbung für Mitglieder der Bundesregierung als der Befriedigung eines von der Sache her gerechtfertigten Informationsbedürfnisses geht, ist von einer unzulässigen Wahlwerbung auszugehen. Dies ist unter anderem dann gegeben, wenn Publikationen in der Vorwahlzeit mit Abbildungen der Mitglieder der Bundesregierung versehen werden und deren persönliche Qualitäten besonders herausgestellt wird.

Auch die Zunahme der Öffentlichkeitsarbeit in der Wahlkampfzeit selbst ist ein Indiz für eine verbotene Wahlkampfbeeinflussung. Es können so auch sachliche Informationen, welche in wahlkampffreien Zeiten eine zulässige Unterrichtung der Bevölkerung darstellen, als Wahlkampfbeeinflussung gewertet werden, wenn diese verstärkt in der heißen Phase des Wahlkampfes publiziert werden.14

II. Internet

Das Internet stellt ein neues Medium dar, welches zum Zeitpunkt des Urteils (1977) noch nicht existierte. Da das Internet kein rechtsfreier Raum ist, ist zu prüfen, ob die aufgestellten Beschränkungen auch für den Internetauftritt der Bundesregierung gelten und wenn ja, wie der Internetauftritt in der Vorwahlzeit gestalten sein muss, um noch mit den Anforderungen des Gerichts konform zu gehen.

a) frühere Sicht

In einem Aufsatz haben sich Mandelarzt und Grotelüschen15 im Vorfeld der Wahl 2005 mit der Frage der Öffentlichkeitsarbeit im Internet auseinandergesetzt. Sie haben richtiger weise zwischen der „klassischen“ Öffentlichkeitsarbeit, welche sich aktiv an den Bürger wendet (Plakate, Anzeigen, Flyer etc.) und dem Internetangebot, auf welches der Bürger selbst zugeht, unterschieden.

Der normalen Öffentlichkeitsarbeit, wie Broschüren, Plakaten und Anzeigen kann der Bürger nicht umgehen, es handelt sich bei diesen um aufgedrängte Informationen. Den Internetauftritt selbst sucht er jedoch bewusst auf, kann diesen somit auch bewusst umgehen. 16

Aus dieser unterschiedlichen Herangehensweise folgten die Autoren, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für die Öffentlichkeitsarbeit im Internet nicht gilt. Soweit dies für archivierte Informationen gilt, ist ihnen Folge zu leisten. Natürlich brauchen ältere Inhalte nicht in der Vorwahlzeit gelöscht zu werden, auch wenn es sich bei solchen um Bilanzdarstellungen und Erfolgsmeldungen gehandelt hat. Nur Banner- und E-Mail-Werbung, als quasi aufgedrängte Information wollten sie verboten wissen.17

b) heutige Sicht

Diese sehr restriktive Einschränkung ist aus heutiger Sicht jedoch überholt.

Wie der Wahlkampf in den USA gezeigt hat, ist das Internet zu dem zentralen Kommunikationsmedium geworden. Gerade jüngere Menschen informieren sich heute mehr über das Internet und weniger über klassische Medienangebot. Dies führt zu einer Umstellung des gesamten Medienmixes. Klassische Printprodukte verlieren immer weiter an Boden. Daher kann der Unterschied zwischen aufgedrängter und gesuchter Information heute nicht mehr trennscharf gezogen werden. Das Internet ist ein entscheidender Teil unserer Informationsgesellschaft geworden und unter diesem Blickwinkel ist auch das Internetangebot der Bundesregierung zu betrachten.

Heute hat jedes Ministerium die Bedeutung des Internets für die Öffentlichkeitsarbeit erkannt und eine Internetredaktion eingerichtet, welche die Seite des jeweiligen Ministeriums täglich mit neuen Inhalten bestückt. Wie die Redaktionen organisatorisch aufgehängt sind, ist von Ministerium zu Ministerium unterschiedlich. Entweder sind diese Teil der Pressestelle oder sie sind organisatorisch eigenständig aufgehängt. Dabei verschwindet im Übrigen auch immer mehr die klassische Trennung der Öffentlichkeitsarbeit, welche sich an den Bürger wendet, und der Pressearbeit, welche sich an Journalisten wendet.

Jedes Ministerium ist bemüht, sich selbst und die Politik positiv darzustellen. Dazu gehört natürlich auch die positive Darstellung des jeweiligen Ministers, als Leiter und bekannteste Person des Ministeriums.

So ist allen Ministerienwebseiten gemeinsam, dass das Bild des jeweiligen Ministers, sowie Reden und Texte auf der Startseite publiziert werden. Der Umfang dieser Darstellung selbst variiert. Ist auf den Seiten des Gesundheitsministeriums18 nur ein kleiner Hinweis auf die Ministerin, so ist der Minister auf den Seiten des Auswärtigen Amt19 und auch des Finanzministeriums20 sowohl durch Texte, wie auch durch Bilder wesentlich präsenter. Sehr umfangreich ist auch die Darstellung der Bundeskanzlerin auf ihrer Webseite, welche durch das Bundespresseamt betreut wird.21

Zu den Eigenheiten des Internets gehört die verkürzte Darstellung von Sachverhalten und stärkere Visualisierung von Inhalten. So sind auf den Seiten ein sehr hoher Anteil von Bildern und Grafiken und nur ein kleiner Teil von Texten, was der gesamten Darstellung einen sehr plakativen, fast schon marktschreierischen Eindruck gibt.

Diese Art der Darstellung ist, solange in Ordnung, wie Seite die Politik des Ministeriums widerspiegelt und versucht, diese dem Bürger zu erklären.

Die Grenze für eine unzulässige Wahlbeeinflussung ist jedoch überschritten, wenn, so folgt es aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil, nicht das Informationsbedürfnis des Bürgers, sondern die Sympathiekundgebung für einen Politiker im Vordergrund steht. Dieses dürfte dann der Fall, wenn in der Vorwahlzeit die Berichte über den Minister zunehmen und verstärkt das Konterfei des Ministers auf der Webseite eingebunden wird.

Auch der Ausbau des Angebotes durch zusätzliche Informationsangebote in der Vorwahlzeit, wie zum Beispiel die verstärkte Einbindung von Videos oder Bildergalerien des Ministers ist ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot. Ebenso liegt ein Verstoß vor, wenn in der heißen Phase des Wahlkampfs neue Kommunikationsprojekte gestartet werden, wie zum Beispiel, dass ein Ministerium beginnt, einen Auftritt bei Facebook oder Twitter anzulegen und so eine verstärkte Aufmerksamkeit auf sich zieht. Mit der Implementierung eines solches Angebots sollte, in Auslegung der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung bis zum Zeitpunkt nach der Wahl gewartet werden.

c) Ausblick

Eine konkrete Abgrenzung zwischen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit und unzulässiger Wahlbeeinflussung vornehmen zu können, wird sich in der Praxis als schwierig herausstellen. Das Internet ist ein schnelles Medium und die Inhalte wechseln mehrmals täglich.

Es wäre wünschenswert, würden die Ministerien den jetzigen Umfang der Ministerdarstellung als Status quo definieren und sich daran in Zukunft messen lassen. Würden mehr Berichte und Bilder eingestellt, ohne dass dafür eine politische Notwendigkeit besteht, könnte dies ein Indiz für eine verbotene Wahlkampfbeeinflussung sein.

Das Indiz der verstärkten Haushaltsmittel kann ebenfalls herangezogen werden. Wenn der Haushalt 2009 verstärkte Ausgaben für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ausweist, sollte genau geschaut werden, warum es zu Mehrausgaben kommt. Sollte ein Teil dieser Mehrausgaben dazu verwendet werden, den Minister positiver darstellen zu wollen ist dies ein Verstoß gegen das Grundgesetz.

Der Wahlkampf 2009 ist somit, auch im Hinblick auf die Öffentlichkeitsarbeit der Ministerien, interessant zu beobachten.

1Statt vieler: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,534397,00.html

2September 2009

3BVerfGE 44, 125 (2.3.1977) = NJW 1977, 1054, hiezu Häberle, JZ 1977, 361; Seifert DÖV 1977, 288

4BVerfGE 44, 125 (127 ff.)

5BVerfGE 44, 125 (138 ff.)

6BVerfGE 44, 125 (138 ff.)

7BVerfGE 44, 125 (139)

8BVerfGE 44, 125 (144 ff.)

93. Leitsatz des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 44, 125)

10BVerfGE 44, 125 (147 ff.)

11BVerfGE 44, 125 (147, 148)

12BVerfGE 44, 125 (149 ff.)

13BVerfGE 44, 125 (150)

14BVerfGE 44, 125 (150 ff.)

15Mandelartz, Grotelüschen: Das Internet und die Rechtsprechung des BVerfG zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung

NVwZ 2004, 647 ff.

16dieselben, NvwZ 2004, 647 (650)

17dieselben, NvwZ 2004, 647 (650)

18www.bmg.bund.de

19www.diplo.de

20www.bmf.bund.de

21www.bundeskanzlerin.de

    Kontaktieren Sie uns

    Rechtsanwalt Hoesmann

    Telefon – 030 61 08 04 191

    Gerne können Sie uns auch jetzt eine E-Mail Anfrage schicken.

    office@hoesmann.eu

     

    Mit dem "Senden" versichere ich, die Datenschutzerklärung gelesen zu haben und stimme der Nutzung meiner Daten gemäß der Datenschutzerklärung zu.



    Gerne können Sie uns bewerten:

    1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne (2 Bewertungen, Durchschnitt: 5,00 von 5)


    Loading...

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert