Amtsgericht München – Az.: 161 C 3617/20

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Amtsgericht München
Az.: 161 C 3617/20

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Kanzlei Hoesmann, Storkower Straße 158, 10407 Berlin,

gegen

– Beklagte –

wegen Forderung

erlässt das Amtsgericht München durch den Richter am Amtsgericht Dr. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2020 folgendes

Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.336,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.03.2020 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen eines von der Beklagten veröffentlichten Facebook-Beitrages. Die Klägerin arbeitet als selbständige Trainerin, Dozentin und Rednerin. Die Beklagte ist freie Journalistin.

Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse www einen Blog und eine Facebook-Fanpage www.facebook.com/-

Jedenfalls bis zum 31.01.2020 veröffentlichte die Beklagte auf ihrer Facebook-Fanpage folgende Meldung:

„Die Staatsanwaltschaft X hat Anklage gegen Y erhoben (Strafsache Az. ). So teilte der Pressesprecher x am 2. September mit, „dass eine Zustellung der Anklageschrift erfolgt ist. Ein Hauptverhandlungstermin ist derzeit noch nicht bestimmt“. Auslöser sind die beiden Strafanzeigen der Autorin wegen Verdacht auf Titelmissbrauch (“Psychotherapeutin“) und Betrug u.a. (fragwürdige eidesstattliche Versicherungen). “

Das erwähnte Strafverfahren gegen die Klägerin wurde bereits am 17.10.2019 vorläufig sowie am 19.11.2019 endgültig eingestellt. Von der Einstellung des Strafverfahrens hat die Beklagte jedenfalls am 07.12.2019 erfahren.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 31.01.2020 forderte die Klägerin die Beklagte zur Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung sowie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Zudem forderte die Klägerin Abmahnkosten in Höhe von 1.336,90 €. Die Beklagte gab die geforderte Unterlassungserklärung ab und lies die Facebook-Meldung unverzüglich löschen.

Abmahnkosten wurden nicht bezahlt.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe mit der Veröffentlichung ihre Persönlichkeitsrechte verletzt, so dass ihr ein Anspruch auf die geforderten Rechtsanwaltsgebühren zustehe, und zwar aus einem Gegenstandswert von 40.000 €.

Die Klägerin beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.336,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Artikel auf der Website www unverzüglich und rechtzeitig gelöscht worden sei. Die Facebook-Seite sei von ihr selbst nie genutzt worden. Die Artikel auf der Internetseite www würden automatisch auf die Facebook-Seite geteasert werden. Die Beklagte habe hierauf keinen Einfluss.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Schriftsätze der Parteien und den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht München sachlich zuständig nach § 23 Nr. 1 GVG und örtlich zuständig nach § 12, 13 ZPO.

II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte wegen der unrichtigen Veröffentlichung einen Schadensersatzanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 249 BGB, der auch die eingeklagten Rechtsanwaltskosten umfasst, da sie zur Wahrnehmung der Rechte der Klägerin erforderlich und zweckmäßig waren.

1. Der streitgegenständliche Facebook-Beitrag verletzte die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Indem die Beklagte öffentlich darüber berichtete, dass ein Strafverfahren gegen die Klägerin anhängig ist, hätte sie spätestens mit dem Bekanntwerden der Einstellung des Strafverfahrens den Artikel löschen oder aktualisieren müssen. Die Beklagte hat den Artikel jedoch erst nach der Abmahnung vom 31.01.2020 gelöscht. Von der Einstellung des Strafverfahrens wusste die Bekagte bereits seit dem 07.12.2019. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätte die Beklagte ihre Verdachtsberichterstattung unaufgefordert aktualisieren müssen. Es spielt auch keine Rolle, dass die Artikel von der Webseite www automatisch ohne ein Zutun der Beklagten übernommen werden. Die Beklagte ist als Inhaberin der Facebook-Seite für diese auch verantwortlich. Sofern ein solcher Dienst trotz fehlender technischer Kenntnisse betrieben wird, haftet die Beklagte zumindest wegen einer fahrlässigen Pflichtverletzung. Die Beklagte hätte den Teaser löschen müssen. Soweit die Beklagte die Pflege ihres Facebook-Accounts einem IT-Betreuer übertragen hat, muss sie sich ein etwaiges Verschulden dieses Betreuers anrechnen lassen.

2. Der Klägerin steht daher wegen der Falschbehauptung in dem Facebook-Beitrag ein Schadensersatzanspruch zu, der sich der Höhe nach gem. § 249 BGB bemisst. Ein solcher Ersatzanspruch umfasst auch die Rechtsanwaltskosten, soweit sie zur Wahrnehmung der Rechte erforderlich und zweckmäßig sind (vgl. BGH, NJW-RR 2007, 856, m. w.N.).

a) Die Einschaltung eines Rechtsanwalts für die Abmahnung der Beklagten mit Schreiben vom 31.01.2020 war erforderlich und zweckmäßig zur Durchsetzung der Unterlassung der Veröffentlichung des Artikels. Die Klägerin hatte wegen des unrichtigen Artikels einen Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten, zu deren Durchsetzung sie sich anwaltlicher Unterstützung bediente. Die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs ist rechtlich keine einfach gelagerte Angelegenheit, so dass es zweckmäßig für die Klägerin war, sich hier der Dienste eines Rechtsanwalts zu bedienen.

b) Der von der Klägerseite angesetzte Gegenstandswert für die außergerichtliche Angelegenheit von 40.000 € stellt sich in Anbetracht der Tatsachen, dass die Veröffentlichung auf Facebook erfolgte nicht als überhöht dar. Insbesondere muss berücksichtigt werden, dass eine öffentliche Berichterstattung über ein Strafverfahren ein besonders sensibles Thema ist und bei den Betroffenen zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung führen kann. Die Klägerin arbeitet als freiberufliche Rednerin und als Coach. Für die berufliche Lage der Klägerin ist es sehr nachteilig, wenn über einen längeren Zeitraum der Eindruck eines anhängigen Strafverfahrens zu Unrecht aufrechterhalten bleibt.

III. Die Kostenentscheidung folgt § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.