Ein Kunstwerk als (un)wesentliches Beiwerk im Hintergrund

Auch Kunstwerke im Hintergrund eines Videos können urheberrechtlich relevant sein. Eine Künstlerin ging mit Erfolg dagegen vor, dass in mehreren Videos die Nachbildung ihres Kunstwerk großformatigen und abgebildet gewesen ist.

Das nachgebildete Kunstwerk war als Wanddekoration in einem Nagelstudio angebracht. Die Inhaberin des Nagelstudios hat in mehreren Videos ihr Nagelstudio und sich selbst vorgestellt, aber auch immer wieder das Kunstwerk im Hintergrund großformatigen mit abgebildet.

Die Künstlerin sah in dieser der Nachbildung und der Publikation in dem Video eine Verletzung ihrer Rechte. Das Landgericht Flensburg ihr recht und Verbot die weitere Publikation des Videos. (LG Flensburg, Beschluss vom 7.5.2021 – 8 O 37/21)

Die ausschließlichen Rechte des Urhebers und seine Ausnahmen

Grundsätzlich hat gemäß § 15 UrhG lediglich der Urheber eines Werks das Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten und in unkörperlicher Form wiederzugeben. Dazu gehören beispielsweise das Vervielfältigungsrecht gemäß § 16 UrhG, das Verbreitungsrecht gemäß § 17 UrhG oder auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a StGB. Möchte eine andere Person das Werk nutzen, so ist es notwendig, dass der Urheber ihr dazu die Erlaubnis erteilt. Von dieser grundsätzlichen Regelung kann es jedoch Ausnahmen geben. Eine davon ist in § 57 UrhG geregelt, in dem festgelegt wird, dass keine Zustimmung des Urhebers zu einer der in § 15 UrhG geregelten Nutzungsmöglichkeiten benötigt wird, wenn das Werk lediglich als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen ist.

Der zugrundeliegende Fall der Entscheidung des LG Flensburg

Mit der Anwendung dieser Ausnahme hat sich das LG Flensburg in seiner Entscheidung vom 07.05.2021 (Az. 8 O 37/21) befasst. Die Klägerin ist Künstlerin und Urheberin des Kunstwerks „Edelblüte“, einer Art dreidimensionalen Blütenkonstruktion, die leuchtet und der Wanddekoration dienen kann. Sie verkauft ihr Werk in silberner und goldener Farbe. Die Beklagte ist Inhaberin eines Kosmetik- und Nagelstudios. Sie entdeckte das Werk der Klägerin und bildete dieses nach, um es anschließend in ihrem Studio auszustellen und zu verkaufen. Auch veröffentlichte sie auf ihrem Instagram-Profil ein Video im Rahmen von IGTV, welches den Ablauf im Studio erklärte. In diesem Video war ihre Nachbildung des Werks „Edelblüte“ etwas mehr als 50% der Zeit neben ihrem Gesicht zu sehen. In Folge einer erfolglosen Abmahnung der Beklagten durch die Klägerin, stellte die Klägerin dann einen Verbotsantrag, welcher es der Beklagten untersagen sollte, das Werk „Edelblüte“ in seiner Nachahmung ohne Zustimmung zu vervielfältigen, zu verbreiten und/oder öffentlich zu machen. Der Beklagten sollte also keine Nutzung des Werks durch Verkauf oder in dem Video mehr möglich sein. Die Beklagte hingegen argumentierte, dass das Werk keinen Schutz als persönliche geistige Schöpfung im Sinne des Urheberrechtsgesetzes genieße, da viele andere Künstler bereits vergleichbare Werke geschaffen hätten.

Entscheidung

In seiner Entscheidung gab das LG Flensburg der Klägerin Recht. Sie ist als alleinige Urheberin des Kunstwerks anzusehen und hat demnach auch einen Anspruch darauf, dass die Beklagte es unterlässt, die Nachbildung des Werks zu verkaufen und im Video zu zeigen. Es liegt insbesondere auch keine Ausnahmeregelung vor, die es der Beklagten ermöglichen würde, das Werk ohne Zustimmung der Klägerin im Video zu zeigen.

„Edelblüte“ als nicht unwesentliches Beiwerk

Das LG Flensburg geht davon aus, dass § 57 UrhG nicht einschlägig ist. „Edelblüte“ ist nicht lediglich ein unwesentliches Beiwerk im Video. Damit folgt das Gericht hier der Rechtsprechung des BGH, welche von einer Unwesentlichkeit ausgeht, „wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem durchschnittlichen Leser auffiele oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstands in irgendeiner Weise beeinflusst wird“ oder wenn das Werk „nach den Umständen des Einzelfalls keine noch so geringfügige inhaltliche Beziehung zum Hauptgegenstand der Verwertung zuzubilligen ist, sondern es durch seine Zufälligkeit und Beliebigkeit für diesen ohne jede Bedeutung ist“ (https://openjur.de/u/771964.html BGH, Urteil vom 17.11.2014 – I ZR 177/13 Rn. 31).

Dadurch, dass das Kunstwerk der Klägerin jedoch etwas mehr als 50% der Zeit und neben dem Kopf der Beklagten im Video zu sehen war, kann es nicht als nicht wesentlich kategorisiert werden. Dadurch prägt das Kunstwerk den ästhetischen Eindruck, den der Zuschauer von dem Video und damit von dem Studio gewinnt, mit. Hier wird die enge Auslegung der Schrankenwirkung des § 57 UrhG deutlich, denn laut des LG Flensburg ist eine Unwesentlichkeit nur dann zu bejahen, wenn das Werk so in den Hintergrund rückt, dass keine noch so geringe oder nebensächliche Bedeutung erzielt wird. Davon ist hier aufgrund des erzielten und damit mitprägenden ästhetischen Eindrucks gerade nicht mehr auszugehen.

Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung des LG Flensburg zeigt deutlich, dass es schnell zu einer Verletzung des Urheberrechtes kommen kann. Vor allem auch in Aspekten, die vielleicht auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind. Bei Hintergrundmusik ist es den meisten bewusst, dass bei der GEMA eine entsprechende Nutzungslizenz eingeholt werden muss, an Kunstwerke im Hintergrund denkt man eher nicht sofort. Daher ist es wichtig, sich vor der Veröffentlichung von Videos (in den sozialen Medien) gut zu informieren und gegebenenfalls anwaltschaftlich beraten zu lassen, damit Rechte gewahrt werden und es nicht zu urheberrechtlichen Verletzungen kommen kann.

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