Die Zulässigkeit von Schiedsvereinbarung zugunsten des Internationalen Sportgerichtshofs

eislaufZur Zeit finden mit einigen Weltmeisterschaften die Saisonhöhepunkte in diversen Wintersportarten statt. Bislang war es üblich, dass die Sportler bei der Wettkampfanmeldung zu Weltmeisterschaften gleichzeitig auch eine Schiedsvereinbarung zugunsten des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS) unterschrieben haben.

Eine solche Schiedsvereinbarung führt dazu, dass ausschließlich der CAS für Rechtsstreitigkeit, die aus der Teilnahme an der Weltmeisterschaft entstehen können, zwischen dem Sportler und dem Veranstalter – meist ein Internationaler Sportverband – zuständig ist. Weil dadurch die Sportler ihr Recht auf Zugang zu staatlichen Gerichten verlieren, ist die Zulässigkeit solcher Schiedsvereinbarung umstritten.

Causa Claudia Pechstein

In diesem Streit kam nun Bewegung durch das aufsehenerregende Urteil des OLG München (Urteil v. 15.01.2015, Az.: U 1110/14 Kart) in der Causa Claudia Pechstein. Die deutsche Eisschnellläuferin nahm 2009 an den von der Internationalen Eislaufunion (ISU) veranstalteten Weltmeisterschaften teil. Bei ihrer Wettkampfanmeldung unterschrieb sie eine Schiedsvereinbarung zugunsten des CAS.

Bei diesen Weltmeisterschaften wurde bei ihr ein erhöhter Wert an roten Blutkörperchen festgestellt. Für die ISU galt das Beleg für ein Dopingvergehen, weshalb sie ein Disziplinarverfahren gegen die Sportlerin einleitete, das mit dem Ausspruch einer Sperre von zwei Jahren für jeglichen Wettkampf- und Trainingsbetrieb durch die Disziplinarkommission der ISU endete. Gegen diese Entscheidung wehrte sich Claudia Pechstein ohne Erfolg vor dem CAS und auch Schweizer Bundesgerichten.

Klageabweisung in der 1.Instanz

Nunmehr verlangt die deutsche Sportlerin Schadensersatz und Schmerzensgeld von der ISU. In der ersten Instanz wurde ihre Klage abgewiesen. Das Landgericht wies auch ihre Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen die Deutsche-Eislauf Union ab. In der Berufung vor dem OLG ging sie aber nur gegen die Abweisung der Klage gegen die ISU vor.

Schiedseinrede bei wirksamer Schiedsvereinbarung

In der Berufungsverhandlung machte die ISU eine Schiedseinrede mit Verweis auf die Schiedsvereinbarung aus der Wettkampfanmeldung geltend. Eine Schiedseinrede hat grundsätzliche zur Folge, dass die Klage vom angerufenen Gericht als unzulässig abgewiesen wird. Voraussetzung ist aber, dass die Schiedsvereinbarung wirksam ist.

Anwendbarkeit deutschen Rechts

Die Schiedsvereinbarung muss sich insbesondere nach deutschem Recht wirksam sein. Zwar können Vertragsparteien – und damit auch Sportler und Sportverband – vereinbaren, dass für ihr Rechtsverhältnis das Recht eines anderen Staates gilt. Allerdings darf die Vereinbarung nicht gegen sogenannte zwingende Normen des deutschen Rechts verstoßen. Darunter versteht man solche Bestimmungen, die für sich beanspruchen, einen Sachverhalt ohne Rücksicht auf das vereinbarte Recht zu regeln, da sie nicht nur dem Ausgleich und Schutz der widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien, sondern zumindest auch der Verfolgung von öffentlichen Gemeinwohlinteressen dienen.

Beachtung des Kartellrechts

Nach Ansicht der Münchner Richter muss sich die zwischen Claudia Pechstein und der ISU vereinbarte Schiedsvereinbarung zugunsten des CAS an deutschem Kartellrecht messen lassen. Es mag zunächst überraschend sein, dass deutsches Kartellrecht einschlägig ist. Allerdings sind die meisten Sportverbände marktbeherrschende Unternehmen im Sinne der kartellrechtlichen Vorschriften. Ihre wirtschaftliche Tätigkeit besteht in der Durchführung von nationalen bzw. internationalen Meisterschaften. Da in den meisten Sportarten die nationale oder internationale Meisterschaften meist nur von den jeweiligen Dachverbänden organisiert werden, gibt es für diese auch keine Konkurrenz, so dass sie eine Monopolstellung innehaben.

Verbot des Missbrauchs der Marktmacht

Nach deutschem Kartellrecht dürfen marktbeherrschende Unternehmen ihre Marktmacht nicht dahingehend missbrauchen, dass sie ihren Vertragsparteien Geschäftsbedingungen aufzwingen, die sie bei funktionierendem Wettbewerb nicht eingehen würden.

Schiedsvereinbarungen grundsätzlich nicht unzulässig

Die Vereinbarung einer Schiedsvereinbarung zwischen Sportler und Sportverband stellt aber nach Ansicht der Kammer für sich genommen noch keinen Missbrauch der Marktmacht dar. Vielmehr kann es den Interessen beider Seiten entsprechen, dass Streitigkeiten zwischen beiden Parteien nicht staatlichen Gerichten, sondern, gerade um unterschiedliche Entscheidungen bei den einzelnen nationalen Gerichten zu verhindern, einem einheitlichen Sportgericht zugewiesen werden.

strukturelles Übergewicht der Sportverbände beim CAS

Im vorliegenden Fall war aber das strukturelle Übergewicht der Sportverbände beim CAS problematisch. So wird die Liste, aus denen die Schiedsrichter für ein Verfahren beim CAS ausgewählt werden, vom Internationalen Rat für Sportgerichtsbarkeit (ICAS) bestimmt. 12 der 20 Mitglieder beim ICAS sind werden von internationalen und nationalen Sportverbänden ernannt. Da der ICAS mit einfacher Mehrheit entscheidet besitzen die Sportverbände schon bei der Aufstellung der Schiedsrichter-Liste ein Übergewicht vor allem gegenüber den Athleten. Diese werden beim ICAS nur durch 4 Mitglieder vertreten, die auch noch von den 12 Mitgliedern, die die Sportverbände ernennen, bestimmt werden.

Auch bei den benannten Schiedsrichter haben die Sportverbände ein Übergewicht. So werden drei Fünftel der vom ICAS gewählten Schiedsrichter von den Sportverbänden vorgeschlagen. Nur ein Fünftel der Schiedsrichter werden mit Blick auf die Wahrung der Interessen der Athleten gewählt.

Schiedsgericht muss Neutralität gewährleisten

Aufgrund dieses strukturellem Übergewicht der Sportverbände sah das OLG die Neutralität des CAS gefährdet. Bei funktionierendem Wettbewerb würde aber ein Athlet eine Schiedsvereinbarung nur zugunsten eines neutralen Schiedsgerichts, das eine gewisse Überparteilichkeit gewährleistet, unterschreiben. Die Schiedsvereinbarung zugunsten des CAS war daher im konkreten Fall wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung rechtswidrig.

Entscheidung über Schadensersatz vertagt

Somit konnte die ISU die Schiedseinrede hier nicht wirksam geltend machen, so dass die Klage nach Ansicht der Münchner Richter zulässig war. Interessant dürfte dabei auch der Aspekt der Zuständigkeit von deutschen Gerichten für Klagen gegen internationale Sportverbände, die ihren Sitz nicht Deutschland haben, sein (dazu ein späterer Beitrag).

Über das Bestehen einen Anspruchs auf Schadensersatz von Claudia Pechstein hat aber das Gericht noch nicht geurteilt. Es entschied aber, dass der Schiedsspruch des CAS wegen der Rechtswidrigkeit der Schiedsvereinbarung in diesem Fall nicht anerkennungsfähig ist, so dass es an diesem nicht gebunden ist.

Die noch ausstehende Entscheidung über einen bestehenden Schadensersatzanspruch wird daher mit Sicherheit auch sehr interessant.

Anmerkung Rechtsanwalt Hoesmann

Der Fall von Claudia Pechstein zeigt wie vielfältig das Sportrecht ist. Dabei sind unterschiedliche rechtliche Vorschriften zu beachten. So überrascht es auf den ersten Blick, dass hier das Kartellrecht einschlägig ist. Aber auch viele Normen des internationalen Rechts können eine Rolle spielen.

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