Pressemitteilung über Anklage durch Gericht

Darf ein Gericht zu einer Anklage eine Pressemitteilung herausgeben oder greift es damit zu sehr in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen ein?

Darüber hatte kürzlich das Oberverwaltungsgericht NRW im Urteil 4 B 1380/20 vom 04.02.2021 zu entscheiden. In diesem ging es um die Pressemitteilung des Amtsgerichtes über die Anklage gegen einen ehemaligen Fußballprofi.

Im Ergebnis stellte das oberste Verwaltungsgericht in Nordrhein Westfalen fest, dass die Presse durch das Gericht informiert werden darf, jedoch seitens des Gerichtes unbedingt eine Neutralität zu wahren ist.

Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Grundsätzlich ist festzuhalten: Eine Person muss einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht dulden, solange dieser nicht rechtmäßig ist. Bei der Pressemitteilung wird jedoch in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie auf das Selbstbestimmungsrecht über die eigene Außendarstellung, das heißt wie andere einen selbst wahrnehmen, eingegriffen.

Aber wie kann es dann sein, dass überhaupt Pressemitteilungen von Gerichten veröffentlicht werden?

Verfassungsrechtliche Ermächtigung

Die Antwort ist recht simpel. Das Schlüsselwort ist die Rechtmäßigkeit des Eingriffes. Ein Eingriff kann demnach eine Rechtfertigung durch eine gesetzliche oder verfassungsunmittelbare Ermächtigung erfahren.

Darunter zu verstehen sind die gesetzlichen Regelungen über die Auskunftsgewährung gegenüber der Presse, die das Land bestimmt, sowie die allgemeine Pressefreiheit. Die Pressefreiheit dient dabei dem Ziel der Meinungsbildung. Um dieser grundrechtlichen Dimension Rechnung zu tragen, muss die umfassende und wahrheitsgetreue Weitergabe von Informationen über Geschehnisse des öffentlichen Interesses selbstverständlich ermöglicht werden, sodass eine gewisse Auskunftspflicht der öffentlichen Behörden besteht.

Da auch der Gleichheitsgrundsatz bei der Veröffentlichung für die presserechtliche Tätigkeit berücksichtigt werden muss, muss das Gericht ebenfalls darauf achten die Informationen für alle Pressemitglieder in gleicher Weise zugänglich zu machen, um so die Gleichstellung im wettbewerblichen Geschehen zu gewährleisten. Dafür bietet sich eine Pressemitteilung des Gerichts im besonderen Maße an.

Abwägung

Wie üblich, wenn zwei Grundrechte kollidieren, muss zwischen diesen abgewägt werden. Dabei steht das Interesse der Presse an Offenlegung gegen das Interesse am Unterbleibend der Auskunft.

Dass eine Auskunft nicht gegeben werden soll, kann sowohl private als auch öffentliche Interessen vertreten.

Recht auf ein faires Verfahren

Besonders wichtig erscheint dabei für die Angeklagten das Recht auf ein faires Verfahren. Durch die Verbreitung wird in den Medien eine öffentliche Diskussion angeregt, die gerade darauf ausgelegt ist eine einseitige Stellung zu nehmen und zu polarisieren.

Dies hat einerseits Auswirkungen auf den Angeklagten in der Öffentlichkeit. Denn obwohl noch kein Urteil gebildet wurde und noch nicht fest steht, dass die Person eine in der Gesellschaft als verwerflich anerkannte Tat begangen hat, wird dieses Verhalten in den Medien bereits angedeutet. Das soziale Umfeld des Angeklagten wird dadurch beeinflusst und wendet sich von ihm ab, ohne das seine tatsächliche Tätereigenschaft bereits hinreichend geprüft wurde. Ein solcher Persönlichkeitsschaden kann dann auch möglicherweise mit einem Freispruch nicht mehr behoben werden.

Andererseits hat dies aber auch Einfluss auf die Beamten. Diese sind grundsätzlich dazu verpflichtet objektiv und neutral zu agieren, um einen fairen Prozess, der auch in dem Rechtsstaatsprinzip verankert ist, zu gewährleisten. Dabei sollten sie stets von einer Unschuldsvermutung ausgehen. Doch auch Beamte sind nicht frei von Einflussnahme, sodass auch sie durch einseitige Berichterstattung voreingenommen in das Verfahren gehen könnten. Dies bedeutet eine Gefahr für die Wahrheitsfindung und für ein gerechtes Urteil sowie eine Störung der Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege.

Voraussetzungen für die Zulässigkeit

Wie allerdings bereits festgestellt, sind Pressemitteilungen nichts Ungewöhnliches am Gericht. Wonach richtet sich demnach die Abwägung von der Pressefreiheit zum Recht auf ein faires Verfahren?

Zunächst muss festgestellt werden, dass es einen Unterschied macht, ob bereits ein Urteil gefällt wurde oder ob das Ermittlungs- oder Strafverfahren noch läuft. Wenn das Verfahren noch in Gange ist, dann ist ein höherer Maßstab bezüglich der Objektivitätspflicht der Beamten festgelegt.

Auch selbstverständlich sollte sein, dass Meinungsäußerungen sachlich bleiben sowie Tatsachen wahrheitsgemäß wiedergegeben werden müssen.

Wenn das Verfahren insbesondere noch in der Ermittlung steht, dann muss ein Mindesttatbestand von Beweisen vorliegen, die den Vorwurf auch tatsächlich bekräftigen. Gleichermaßen müssen in der Pressemitteilung allerdings auch die entlastenden Tatbestandteile aufgezeigt werden, damit möglichst keine präjudizierende Darstellung erweckt wird.

Die Zulässigkeit der Identifikation des Betroffenen ist besonders strittig. Erst durch die mögliche Identifizierung treten die negativen Folgen für das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein. Solange kein Schuldspruch erteilt wurde, wiegt dieses in der Regel mehr als das Recht auf Pressefreiheit. Aber wie bei jedem Streit bezüglich des Persönlichkeitsrechts gibt es auch Ausnahmen. Diese liegen insbesondere darin, wenn der Beschuldigte auf Grund seiner Person bereits vor dem Vorfall in der Öffentlichkeit steht. Immer wenn ein besonderes öffentliches Interesse herrscht, kann demnach eine Identifikation des Beschuldigten möglich sein.

Sofern eine Identifizierung denkbar ist, so steht spätestens seit diesem Urteil fest, dass auch immer eine vorherige Mitteilung des Betroffenen erforderlich ist, damit diesem die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wird.

Einschätzung RA Hoesmann

Bei der Berichterstattung stehen stets die Persönlichkeitsrechte Einzelner gegen das Informationsinteresse vieler. Dabei muss abgewägt werden, wie weit das Presserecht greifen darf, ohne zu stark das Persönlichkeitsrecht zu beschränken.

Pauschale Betrachtungsweisen sind hier nur schwer haltbar, es kommt immer auf die Grundsätze des Einzelfalls an. Es spielen vielerlei Umstände eine Rolle, die juristisch erst eingeordnet werden müssen.

Als eine auf das Presse- und Medienrecht ausgerichtete Kanzlei stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung, wenn Sie Fragen zum Thema haben.

    Kontaktieren Sie uns

    Rechtsanwalt Hoesmann

    Telefon – 030 61 08 04 191

    Gerne können Sie uns auch jetzt eine E-Mail Anfrage schicken.

    office@hoesmann.eu

     

    Mit dem "Senden" versichere ich, die Datenschutzerklärung gelesen zu haben und stimme der Nutzung meiner Daten gemäß der Datenschutzerklärung zu.


    Gerne können Sie uns bewerten:

    1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne (1 Bewertungen, Durchschnitt: 5,00 von 5)


    Loading...