Altkanzler Kohl hat das Recht auf seine Tonbandaufnahmen

MicroHelmut Kohl führte mit dem Journalisten Heribert Schwan einen umfangreichen Prozess über die Herausgabe von Tonbandaufnahmen, welche im Rahmen eines gemeinsamen Buchprojekts aufgenommen wurden.

Mit Urteil vom 1. August 2014 hat das Oberlandesgerichts Köln die Berufung des Journalisten Dr. Heribert Schwan gegen das Urteil vom Landgericht Köln, das ihn zur Herausgabe von Tonbändern an Dr. Helmut Kohl verurteilt hatte, zurück. Im Ergebnis muss der Journalist die Tonbandaufnahmen an Helmut Kohl herausgeben.

Der Herausgabeanspruch des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl umfasst 200 Tonbänder, auf welchen er sich von dem Journalisten Gespräche im Umfang von 630 Stunden aufzeichnen ließ. Gegenstand der Gespräche waren die Lebenserinnerungen von Helmut Kohl, welche durch den Journalisten als Ghostwriter in einer Biographie verarbeitet werden sollten. Die Zusammenarbeit zwischen dem Journalisten und Helmut Kohl beendete der Altkanzler vorzeitig und verlangte daraufhin die Herausgabe der Tonbänder.

In erster Instanz vor dem Landgericht Köln bekam der Altkanzler recht und der Journalist wurde zur Herausgabe verurteilt. Zur Begründung führten die Richter der 1. Instanz aus, dass das Auftragsverhältnis beendet sei und daher alles, was zur Erfüllung des Auftrags notwendig sei, wieder ausgehändigt werden müsse. Dies seien die Tonbänder.

Dagegen legte der Journalist Rechtsmittel ein.

Mit dem am 1. August 2014 gefällten Berufungsurteil hat das Oberlandesgericht die Berufung zurückgewiesen und Helmut Kohl die Tonbänder zugesprochen. Das Gericht hat aber offengelassen, ob die Begründung des Landgerichts zutreffe. Eine Prüfung, ob ein Herausgabeanspruch in dem hier vorliegenden Umfang nicht zunächst dem Verlag als dem direkten Vertragspartner des Journalisten zustünde und nicht unmittelbar Helmut Kohl, erfolgte nicht. Vielmehr stellt das Oberlandesgericht hinsichtlich des dem Altkanzler zugesprochenen Herausgabeanspruchs der Tonbänder darauf ab, dass dieser durch die Aufzeichnung seiner Stimme gem. § 950 BGB Eigentum an den Tonbändern erlangt habe.

Nach § 950 BGB erwerbe derjenige, der durch Verarbeitung eine neue bewegliche Sache herstellt, das Eigentum an der neuen Sache, sofern nicht der Wert der Verarbeitung oder der Umbildung erheblich geringer ist als der Wert des Stoffes. Als Verarbeitung gilt auch das Schreiben, Zeichnen, Malen, Drucken, Gravieren oder eine ähnliche Bearbeitung einer Oberfläche. Dem seien die Tonbandaufnahmen nach Auffassung des Oberlandesgericht vergleichbar, da nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung eine neue Sache hergestellt wurde, sofern die Aufzeichnungen für eine längerfristige Nutzung bestimmt seien. Dies sei hier zu bejahen, sodass eine Verarbeitung i.S.d. § 950 BGB gegeben sei. Des Weiteren sei der Ausnahmetatbestand des § 950 BGB nicht einschlägig, da der Materialwert der besprochenen Tonbänder weit geringer sei als ihr immaterieller Wert als historisches Dokument.

Hierbei fragt sich allerdings, ob nicht historische Dokumente gerade zu dem Zweck geschützt werden sollten, wie ihn vorliegend der Beklagte verfolgt, nämlich zur Wahrung des öffentlichen Interesses an der Kenntnisnahme von Unterlagen dieses Gehalts.

Zudem sei Helmut Kohl auch als Hersteller der Tonbandaufnahmen anzusehen. Für die Bestimmung einer Person als Hersteller sei nämlich maßgeblich, in wessen Namen und in wessen wirtschaftlichem Interesse die Herstellung der neuen Sache erfolgt sei.

Der Feststellung des Landesgerichts, dass die Tonbandaufzeichnungen allein der Materialsammlung für die Vorbereitung des Manuskripts der Memoiren Kohls gedient hätten, wurde in der Berufungsinstanz von dem Journalisten nicht widersprochen. Demnach erfolgten sämtliche Aufzeichnungen durch den Journalisten in einer untergeordneten Rolle und somit im Namen und wirtschaftlichen Interesse des Altkanzlers, sodass dieser vorliegend auch als Hersteller der Tonbandaufzeichnungen zu erachten sei.

Zudem sei aus dem Vertragswerk, welcher zwischen den widerstreitenden Parteien und dem Verlag geschlossen wurde, zu entnehmen, dass die Entscheidungsbefugnis über den Inhalt der Aufzeichnungen und ihre Verwendung allein Helmut Kohl obliegt. Deswegen seien die vorliegenden Umstände im Übrigen nicht mit denen eines Interviews vergleichbar, das der journalistischen Berichterstattung zu einem tagesaktuellen Geschehen vorangeht.

Ferner sei vertraglich vereinbart worden, dass Urheberrechte so weit wie möglich Helmut Kohl zugestanden werden sollten und der Altkanzler Inhaber eines jederzeitigen Kündigungsrechts sei.

Der den Tonbandaufzeichnungen zugrunde liegende Vertrag enthält in der Summe folglich ausreichend gefestigte Anhaltspunkte, Helmut Kolh und nicht den Journalisten als Hersteller anzusehen, obwohl der Journalist das Material beschafft und die Befragung vorgenommen hat.

Schließlich stehe dem Journalisten Schwan kein Recht zum Besitz gem. § 986 I BGB zu, da die Grundlage der Zusammenarbeit der Parteien allein das Vertrauensverhältnis zwischen ihnen darstellte und mit der vorzeitigen Beendigung durch den Kläger entfallen ist.
Vor diesem Hintergrund könne sich der Journalist auch nicht auf eine vermeintliche Zusage berufen, gemäß derer er die Tonbänder nach dem Tod Helmut Kohls veröffentlichen dürfe.

Der Senat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, sodass das Urteil noch keine Rechtskraft entfaltet. (OLG Köln 1.8.2014, 6 U 20/14)

Der Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Johanna Göpfert

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