Rechtsmissbrauch der Abmahnung im Urheberrecht

Verfolgt ein Fotograf aktiv die Rechte an seinen Fotos und geht mit anwaltlicher Hilfe gegen Urheberrechtsverletzungen, sprich den Diebstahl seiner Bilder vor, ist schnell der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs im Raum. Hintergrund ist, dass eine Abmahnung nur dann berechtigt ist, wenn der mit der Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht und die Abmahnung nicht rechtsmissbräuchlich erfolgte (BGH GRUR 2019, 1044 Rn. 12 = WRP 2019, 1475 – der Novembermann, mwN). Die Verletzung des Urheberrechts und der daraus folgende Unterlassungsanspruch ist in aller Regel gegeben. Daher stützen sich viele Rechtsverletzer auf den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs der Abmahnung – häufig zu Unrecht.

Rechtsmissbrauch im Urheberrecht

Ob eine Abmahnung im Urheberrecht rechtsmissbräuchlich ist, richtet sich nach dem allgemeinen Verbot unzulässiger Rechtsausübung gem. § 242 BGB.

Dabei wird zur Beurteilung des Rechtsmissbrauch auf die Regeln des Wettbewerbsrechts zurückgegriffen. Nach den Regeln des Wettbewerbsrecht ist eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich, wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. (vgl. BGH GRUR 2013, 176 Rn. 14 f. = WRP 2013, 336 – Ferienluxuswohnung, mwN).

Von einem Missbrauch der Abmahnung im Urheberrecht ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind.

Hier kommt es bei Abmahnungen im Urheberrecht auf die Umstände des Einzelfalls an und jeder Fall ist für sich zu prüfen, ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt oder nicht.

Anhaltspunkte für Rechtsmissbrauch

Ein Anhaltspunkt für Rechtsmissbrauch ist, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht. Ebenso ist ein Anhaltspunkt für den Rechtsmissbrauch, wenn der Anspruchsberechtigte die Belastung des Gegners mit möglichst hohen Prozesskosten bezweckt.

Systematisch überhöhte Abmahngebühren oder Vertragsstrafen sind ebenfalls ein Indiz für den Rechtsmissbrauch. Hier ist jedoch zu beachten, dass eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.001 € mehr der Norm, als der Ausnahme entspricht. Auch Streitwerte von 10.000 € und mehr sind im Urheberrecht keine Seltenheit.

Gerade der Umstand der wirtschaftlichen Belastung ist ein wichtiger Aspekt. Der Abmahnende muss wirtschaftlich in der Lage sein, die Anwaltsgebühren zahlen zu können. Eine Erfolgsvereinbarung ist dem deutschen Recht fremd und der Anwalt bekommt sein Geld, egal ob er den Fall gewinnt oder nicht.

Kann der Mandant das Geld für seinen eigenen Anwalt schon nicht bezahlen, ist dies ein Indiz für den Rechtsmissbrauch der Abmahnung im Urheberrecht.

Wirtschaftliches Interesse

Ein weiteres Indiz für den Rechtsmissbrauch ist, wenn der Abmahnende an der Verfolgung des beanstandeten Verstoßes kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben kann. Dies ist gegeben, wenn die Rechtsverfolgung aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden allein dem sachfremden Interesse dient, die Mitbewerber mit möglichst hohen Kosten zu belasten. Dieser im Wettbewerbsrecht wichtige Umstand spielt im Urheberrecht regelmäßig keine Rolle. Hintergrund dessen ist, dass es bei Abmahnungen im Urheberrecht nicht nur um Anwaltsgebühren, sondern auch um Lizenzforderungen geht.

Viele Abmahnungen innerhalb kurzer Zeit

Ein Indiz für den Rechtsmissbrauch kann sein, wenn innerhalb einer kurzen Zeit viele gleichlautende Abmahnungen ausgesprochen werden. Wie viel genau jetzt viele sind, ist leider in der Rechtsprechung nicht entschieden worden. Kein Rechtsmissbrauch lag vor, wenn mehr als 30 Abmahnungen innerhalb weniger Wochen ausgesprochen worden sind. Ebenso ist kein Rechtsmissbrauch wenn innerhalb von 6 Monaten 12 Abmahnungen ausgesprochen werden. Diese Zahlen sind jedoch nicht absolut, sondern immer nur individuell zu sehen. Je nach Fall sind weniger Abmahnungen schon ausreichend, einen Rechtsmissbrauch annehmen zu können.

Abmahngeschäft in eigener Regie

Wird durch den Anwalt das Abmahngeschäft „in eigener Regie“ betrieben, um Gebühreneinnahmen durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zu erzielen (vgl. BGH GRUR 2019, 199 Rn. 21 = WRP 2019, 180 – Abmahnaktion II; GRUR 2019, 638 Rn. 21 = WRP 2019, 727 – Kündigung der Unterlassungsvereinbarung) kann dies ein Anhaltspunkt für Rechtsmissbrauch sein.

Ebenso ist ein Indiz für den Rechtsmissbrauch der Abmahnung, wenn der Rechtsanwalt selbst die Verstöße ermittelt, um danach die Verstöße abmahnen zu können. (BGH, Vers.-Urt. v. 28.5.2020 – I ZR 129/19 (LG Hamburg))

Praxistipp: Vollmacht
Jeder Rechtsanwalt ist, spätestens im Gerichtsverfahren, verpflichtet, eine Vollmacht seines Mandanten vorzulegen. Verlangen Sie die Vollmacht – eine Vollmacht für den konkreten Fall. Kann diese nicht vorgelegt werden, ist dies ein Indiz für den Rechtsmissbrauch im Urheberrecht.

Rechtsmissbrauch viele Abmahnungen

Die Vornahme gesonderter Abmahnungen gegenüber unterschiedlichen Adressaten wegen unterschiedlicher Rechtsverletzungen aufgrund einer ursächlichen Rechtsverletzung ist nicht rechtsmissbräuchlich (vgl. BGH GRUR 2013, 176 Rn. 23 – Ferienluxuswohnung; GRUR 2019, 1044 Rn. 17 – Der Novembermann).

Gerade im Urheberrecht kann es passieren, dass durch eine Handlung mehrere Rechtsverletzungen eintreten. Gibt zum Beispiel ein Veranstalter unberechtigt ein Foto weiter und wird dieses dann durch mehrere Werbepartner genutzt, kann der Fotograf gegen jeden einzelnen Nutzer vorgehen – auch wenn nur der Veranstalter „böse“ gewesen ist. Im Urheberrecht gilt ein strenger Sorgfaltsmaßstab und jeder Nutzer eines Fotos ist verpflichtet, seine Berechtigung individuell zu prüfen.

Nur Abmahnungen, keine Klagen

Werden Abmahnungen im Urheberrecht ausgesprochen, die Ansprüche später nicht gerichtlich weiter verfolgt, kann dies ebenfalls ein Kriterium für den Rechtsmissbrauch der Abmahnung im Urheberrecht sein. Grund ist der, dass in einem solchen Fall der Verdacht entsteht, dass nicht die Rechtsverletzung als solche im Vordergrund der Tätigkeit steht. Wird die Rechtsverletzung nicht weiter verfolgt, besteht offensichtlich kein gesteigertes Interesse, die Rechtsverletzung weiter zu verfolgen – und dies ist ein Indiz für den Rechtsmissbrauch der Abmahnung im Urheberrecht.

Vorgehen nur in Deutschland

Ein ausländischer Urheber, der seine Rechte nur in Deutschland durchsetzt, kann rechtsmissbräuchlich handeln. Hier liegt der Verdacht nahe, dass die Vergütungsansprüchen der (deutschen) Anwälte im Vordergrund der Tätigkeit stehen – ein Indiz für den Rechtsmissbrauch im Urheberrecht. (BGH, Vers.-Urt. v. 28.5.2020 – I ZR 129/19 (LG Hamburg))

Gesamtbetrachtung Rechtsmissbrauch im Urheberrecht

Wichtig ist immer, den Rechtsmissbrauch in seiner Gesamtheit zu betrachten. Die reine Anzahl an Abmahnungen selbst ist kein Indiz für den Rechtsmissbrauch. Es kommt darauf an, wenn der Rechtsmissbrauch im Urheberrecht nachgewiesen werden soll, verschiedene Aspekte anzusprechen, diese zu bewerten und zu gewichten. Ein Indiz allein reicht regelmäßig nicht, den Rechtsmissbrauch nachweisen zu können.

Beweispflicht beim Rechtsmissbrauch

Beweispflichtig für den Umstand des Rechtsmissbrauchs ist der abgemahnte Schuldner. Diese haben regelmäßig keinen Einblick in die konkrete Abmahntätigkeit und können daher den Rechtsmissbrauch schwer nachweisen. Berichte im Internet über Abmahnungen sind vor Gericht meistens zu unkonkret, um einen Rechtsmissbrauch nachweisen zu können. Daher ist es wichtig, wenn der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs erhoben wird, viele Indizien zu sammeln und sich nicht nur auf ein paar Internetberichte zu stützen.

Abmahnung der Kanzlei Hoesmann

Auch wir von der Kanzlei Hoesmann sprechen im Namen unserer Mandanten Abmahnungen aus und verfolgen die Rechte unserer Mandanten. Gerade bei größeren Mandanten gibt es auch mehrere Abmahnungen und wir sehen uns regelmäßig des unberechtigten Vorwurfs des Rechtsmissbrauchs ausgesetzt. Durch zum Teil unbegründete und falsche Berichte im Internet zu unseren Mandanten kommt der Eindruck auf, es würden sehr viele Abmahnungen ausgesprochen. Dies ist jedoch mitnichten der Fall. Unsere Mandanten recherchieren ihre Verstöße selbst und beauftragen uns in jedem Fall individuell. Vor Gericht konnte bislang jeder Vorwurf des Rechtsmissbrauchs vollständig ausgeräumt werden. Eine Verteidigung, welche sich einzig auf den Rechtsmissbrauch stützt, ist regelmäßig eine schlechte Verteidigung. Prüfen Sie daher unbedingt die Aussage Ihres Anwalts, wenn dieser die Verteidigung einzig auf den Rechtsmissbrauch stützt.

Verteidigung Abmahnung Urheberrecht

Als eine auf das Urheberrecht ausgerichtete Kanzlei verteidigen wir auch gegen Abmahnungen im Urheberrecht. Im Rahmen unser Verteidigung prüfen wir alle in Betracht kommende Aspekte – auch den Aspekt des Rechtsmissbrauchs. Wenn Anhaltspunkte gegeben sind, sprechen wir diese auch an, sind jedoch aufgrund unserer Erfahrung zurückhaltend mit dem Einwand des Rechtsmissbrauchs bei urheberrechtlichen Abmahnungen.

Wenn wir jedoch aufgrund unserer Erfahrung den Eindruck haben, eine Abmahnung ist rechtsmissbräuchlich, dann sprechen wir dies auch mit Nachdruck an. Wir waren bereits in der Lage, den Rechtsmissbrauch bei einer Abmahnung vor Gericht nachweisen zu können – mit der Folge, dass der abmahnende Anwalt die Kosten tragen musste. Ein toller Sieg für unseren Mandanten.

Wenn Sie Fragen zum Rechtsmissbrauch einer Abmahnung im Urheberrecht haben, zögern sie nicht, uns zu kontaktieren, wir helfen Ihnen gerne.

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    Rechtsanwalt Hoesmann

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